Es
war eigentlich nie eine Frage für mich: Jack London, der stolze Abenteurer,
war am Schluß vom Leben und seinen Problemen völlig zerrüttet
und gab sich die Kugel. Und alle dreißig Bücher, die ich las, hatten
die gleiche Kurzinfo zu bieten: Tod durch eigene Hand.
Bis ich dann vor
zwei Jahren endlich selbst in Glen Ellen war. Ich trabte überall
auf seiner Ranch herum, besuchte die ehrwürdigen Ruinen des Wolfshauses
und kraxelte selbstverständlich verbotenerweise da hinein (jetzt
kann ich's ja zugeben..), zerdrückte eine leise Träne an seinem
Grab (okay, okay, da liegt nur seine Asche, aber es ist ein netter Stein!).
Und dann sah ich im
Museum dieses seltsame Dokument. Eine Sterbeurkunde. Von vier Ärzten
unterzeichnet: Tod durch Nierenversagen. Zunächst fiel es mir gar nicht
weiter auf. Ich nahm es einfach hin. Aber später, wieder zu Hause in
Deutschland - begann der Wurm dann doch zu kriechen. Wie? Nierenversagen?
Gleich mal nachschauen, was DTV dazu meint. Und hier der wohl blödsinnigste
Waschzettel überhaupt:
Jack London wurde
am 12.1.1876 in San Franzisko geboren und wuchs in ärmlichen Verhältnissen
auf. Er schlägt sich als Fabrikarbeiter, Austernpirat, Landstreicher
und Seemann durch, holt das Abitur nach, beginnt zu studieren, geht
dann als Goldsucher nach Alaska,lebt monatelang im Elendsviertel von
London, gerät als Korrespondent im russisch-japanischen Krieg in
Gefangenschaft und bereist die ganze Welt. Am 22.11. 1916 setzt der
berühmte Schriftsteller auf seiner Farm in Kalifornien seinem zuletzt
von Alkohol und Extravaganz geprägten Leben ein Ende.
Die ersten beiden
Sätze sind ja noch soweit in Ordnung. Dann folgt die Geschichte
von der Gefangenschaft im russisch-japanischen Krieg. Zugegeben: das
klingt echt spannend, aber warum hat der berühmte Autor, der soviel
biographisches in seine Werke einfließen ließ, nie auch
nur ein Sterbenswörtchen über seine Gefangenschaft verloren?
Ganz einfach: es war keine echte Gefangenschaft, er sollte einfach nur
erschossen werden. Und US-Präsident Theodore Roosevelt rettete
ihm durch seine Intervention das Leben.
Und die ganze Welt war es ja nun auch nicht, die er bereist haben soll:
weder war er je auf dem alten Kontinent, noch je in Afrika und auch
nie in Australien oder Indien. Aber der Obermumpitz kommt am Schluß,
denn da: setzt der berühmte Schriftsteller auf seiner Farm in
Kalifornien seinem zuletzt von Alkohol und Extravaganz geprägten
Leben ein Ende.
Das ist die Höhe!
Ein von Alkohol geprägtes Leben wohlbemerkt! Das muß
ja wohl mindestens bedeuten, daß er morgens schon Rasierwasser
trank, um bis zum Abend einen Kasten Whisky vernichtet zu haben. London,
der lallende Poet. Aber nicht nur von Allohol isser geprägt, nein,
auch noch von Extravaganz! Wie ist das nu wieder zu verstehen?
Hicks?! Daß er am liebsten kandierte Würmer zum Frühstück
verschlang? Oder daß er sich einen vergoldeten Pisspott auf den
Kopf setzte und in einer fliegenden Kutsche den Yosemite-River runterrauschte?
Oder gab er einfach nur einmal die Woche einen Empfang für den
Hofstaat von Liechtenstein? Wenn für den Autor jener Zeilen, der
immerhin von einem steinreichen Erfolgsautor redet, das Bauen eines
Steinhauses, das Konstruieren einer bescheidenen Yacht und das literarische
Fördern von Upton Sinclair schon Extravaganz ist, dann wüßte
ich bitte sehr, was dieser calvinistische Sauertopf über einen
Michael Jackson zu sagen gehabt hätte? Nee - will ich gar nicht
wissen!
Aber ich bin inzwischen in Rage geraten. Ich schlage im „Modernen Lexikon"
des Bertelsmann Verlages nach. Der enthält sich vornehm einer Wertung
und schreibt nur, daß London gestorben ist. Dagegen ist nichts einzuwenden.
Aber schon in Meyers Universallexikon steht: beging Selbstmord. Daraufhin
investiere ich einen Haufen Geld und kaufe mir die Microsoft Encarta (na
gut - ich wollte sie sowieso schon die ganze Zeit haben) und suche nach
Jack London. Und was steht hier in der deutschen Ausgabe?
„1916 nahm sich London
in Glen Ellen in Kalifornien das Leben."
Glücklicherweise
habe ich mir damals, im Jack London Bookstore das „Jack London Homes Album"
gekauft. Und da steht am Schluß, ganz klipp und klar, auf Seite 46
in einer Abbildung des „Physicians Bulletin after death":
At
about 6:30 p.m., November 21, 1916, Mr. Jack London partook of his dinner.
He was taken during the night, with what was supposed to be an attack of
acute indigestion. This however, proved to be a gastro-intestinal type of
uraemia. He rapidly entered coma and died at 7:45 p.m. November 22, 1916.
Unterzeichnet von:
W.S. Porter, M.D.
A.M. Thomson, M.D.
W.B. Hays, M.D.
J. Wilson-Shields, M.D.
Es kommt noch besser.
Darunter befindet sich ein Bulletin älteren Datums, in dem zu lesen
steht:
London
Ranch, Glen Ellen, Calif., Nov. 22, 1916, 6:30 p.m. Mr. London is in a state
of uraemia following an error in diet, causing a faulty elimination of the
kidneys. His condition is serious. Further bulletins will follow. Signed:
A.M. Thomson, M.D.
W.B. Hays, M.D.
J. Wilson-Shields, M.D.
Mr. Porter wurde also
später erst hinzugezogen. Da kämpfte ein Ärzteteam die ganze
Nacht um Londons Leben (!), vielleicht wurde ihm gegen starke Schmerzen
sogar Morphium verabreicht, und vielleicht lagen die Ampullen in der Hektik
noch auf dem Boden herum. Ein Reporter wird sie gesehen haben, und...aber
schauen wir doch erstmal nach, was diese Begriffe überhaupt bedeuten.
Der Pschyrembel sagt über die Urämie:
Urämie
(griech: ur=harn, häm=blut): Harnvergiftung; kein einheitl.
Krankheitsbild, da ein Teil der urämischen Symptome stets mit
Niereninsuffizienz einhergeht (echte Urämie), ein anderer Teil
auch ohne Niereninsuffizienz einhergehen kann. Formen: (ich
beschränke mich hier auf die echte Urämie), subjektive
Symptome: Akuter (bei Anurie), sonst schleichender Verlauf mit
zerebralen Reizungs- und Lähmungserscheinungen: Heftiger Kopfschmerz,
Sehstörungen bis zur passageren Amaurose, Appetitlosigkeit,
Erbrechen, Durchfall, Hautjucken bei hochgradiger Trockenheit der
Haut, oft starkes Durstgefühl. Häufig finden sich petechiale
Haut- und Schleimhautblutungen, sowie urämische Entzündungen
der serösen Häute (Pleura, Peritoneum, Perikard -> Lunge,
Bauchfell, Herzbeutel- Anm. d. Aut). Und des Dickdarms. Unter
zunehmendem Siechtum entwickelt sich bisweilen ein teils toxisch,
teils durch Versagen des Herzens bedingtes Lungenödem mit hochgradiger
Atemnot: Urämisches Asthma, bisweilen bestehen Kussmaulatmung,
Sehstörungen bis Erblindung, Benommenheit, Schlafsucht bis
hin zu tiefem Koma. |
Die weiteren objektiven
Symptome sowie die genauso tödlich verlaufene „falsche" Urämie
erspare ich mir hier jetzt, aber es kann jeder gern den Pschyrembel nachlesen.
Eine Anfrage bei einem „Experten" über Jack London im „Wer-Weiß-Was"-Katalog
ergibt Folgendes.
Reinhard Rael Wissdorf
schrieb:
Liebe/-r wer-weiss-was
Experte/-in,:
Was wissen Sie über die Todesursache von Jack London? Auch der
Ansicht, dass er sich umgebracht hat? Wenn ja, warum?
Gruß
R.Wissdorf
Des "Experten"
Antwort darauf:
Nach Auskunft der Rororo-Biographie von Jack-London:
"London wußte schließlich sein eigenes
Dasein und das seiner Umwelt nicht
mehr zu erklaeren. Er beging Selbstmord. Zwei leere
Phiolen mit den
Aufschriften Morphiumsulfat und Atropinsulfat fanden
sich auf dem
Fußboden neben seinem Bett."
Hoffe dass das hilft
T.
Zwei leere Phiolen?
Und was ist mir der dazugehörigen Spritze? Mal abgesehen davon, daß
das Lesen einer Rohwohlt-Biographie, die außerdem noch uralt und vergriffen
ist, einen noch nicht zum Jack-London-Experten macht, nehme ich die Antwort
ernst und schaue mal unter Morphium nach:
Morphinvergiftung:
Akute M. tritt bei Gaben von 0,1-0,2 g auf, meldepflichtig, Sympt:
Tiefer Schlaf, Gesicht gerötet, Pupillen eng und starr, Atmung
langsam und oberflächl., daher Zyanose, Schwächerwerden
der Herztätigkeitund des Pulses,Koma, Cheyne-Stokes-Atmung,
Tod durch Atemlähmung. Behandlung mit Morphinantagonisten. |
Interessant, da will einer
Selbstmord begehen, spritzt sich Morphium und anschließend gleich Atropinsulfat.
Das ist ungefähr genauso logisch, als würde einer ein Flugticket
ordern und es anschließend gleich im Klo herunterspülen. Macht
das irgendeinen Sinn?
Das erwähnte Atropinsulfat
wäre zwar ein solcher Antagonist, denn es wirkt u.a. stark herzschlagbeschleunigend,
aber es wäre nicht das Mittel der ersten Wahl. Man setzt ein solches
Medikament ein, um das Herz am Schlagen und die Atmung in Gang zu halten.
Bei einer Urämie, zum Beispiel. Die erwähnte Cheynes-Stoke-Atmung
bei der Morphinvergiftung ist übrigens das Gegenteil von Kussmaulatmung,
wie bei einer Urämie. Bei der ersteren erfolgen lange Pausen zwischen
flachen Atemzügen, bei der letzteren ringt der Patient verzweifelt
hechelnd nach Luft. Glauben sie nicht auch, lieber Leser, daß ein
erfahrenes Ärzteteam, vier Mann hoch, in der Lage wäre, die Symptome
einer Morphinvergiftung und die einer Urämie auseinanderzuhalten? Ich
glaube, nach Lesen dieser Definitionen könnte das sogar mein 14jähriger
Sohn.
Jetzt beginnt meine
Suche im Internet. Und ich werde fündig. Auf der Berkeleysite gibt
es eine ganze Menge Dokumente, unter anderem dieses hier:
Und ich beginne,
mich bemerkbar zu machen. Zunächst schreibe ich eine Email an den Gutenberg-Buchklub
und die Redaktion der Kurzbiographien:
Hallo,
Die Info über
Jack Londons Tod ist falsch. Jack London starb nicht durch eigene Hand sondern
an Nierenversagen. Ich selbst habe in Glen Ellen die Sterbeurkunde gesehen.
Wörtlich heißt es im "Physicians Bulletin After Death": "...proved
to be a gastrointestinal type of uraemia. He rapidly entered coma an died
7:45 pm November 22, 1916."
Jack London litt die letzten 6 Jahre vor seinem Tod an Niereninsuffuzienz,
wahrscheinlichdurch Pellagra hervorgerufen (eine Infektion, die sich auch
Charmian in der Südsee zugezogen hatte).
Bitte ändern Sie Ihre Informationen oder überprüfen sie
das zumindest. Ich vermute, daß irgendeine Fehlinformation in Deutschland
zu diesem hartnäckigen Selbstmordgerücht geführt hat. Jedenfalls
steht dieser Unsinn auf jedem Waschzettel.
Gruß
Der Gutenbergclub hat
bis heute nicht darauf geantwortet. (Anm. inzwischen
hat er es getan und wird meine Einlassung wohlwollend prüfen...)
Aber die Redaktion der deutschen Encarta tut es wie folgt:
Hallo
Herr Wissdorf,
ich habe hier die Antwort des Encarta-Chefredakteurs
für Sie:
Alle
unsere Referenzwerke melden einen Selbstmord durch Vergiftung ...
Zuhause habe ich noch eine Quelle, die ich mir
daraufhin anschauen werde.
Anyway: der Selbstmord Londons ist meines Wissens
bisher nie in Zweifel
gezogen worden; deshalb wird es auch in jedem Buch
von oder über ihn so
vermerkt ... Und: die Sterbeurkunde sagt ja auch
nur, an was er gestorben
ist und nicht, ob er sich unabsichtlich vergiftet
hat oder absichtlich.
Ich melde mich wieder, wenn ich noch mehr weiss
..
Herzliche Grüße
Christina Storm
Encarta Intl Program Mgr
P.S.:
Ihren letzten Satz haben wir nicht verstanden:
„ Jedenfalls steht dieser Unsinn auf jedem Waschzettel."???
Darauf wieder ich:
Hallo. Danke für
Ihre Antwort. Aber ich glaube, daß hier nicht gründlich genug
recherchiert worden ist.
>Alle
unsere Referenzwerke melden einen Selbstmord durch Vergiftung ...
- es gibt nur 2 deutsche Biographien, die alle beide vergriffen sind.
Ich habe
noch keinen Kontakt mit den Biographen, aber ich glaube kaum, daß
sie persönlich
in Glen Ellen gewesen sind. Ich war aber da und habe Ihnen mal die Sterbeurkunde
als jpg angehängt.
>der
Selbstmord Londons ist meines Wissens bisher nie in Zweifel
>gezogen worden; deshalb wird es auch in jedem
Buch von oder über ihn so
>vermerkt ...
falsch. Es gibt m.E. nur ein einziges Werk, eines Pharmakologen, der
die Theorie
eines
möglichen Selbstmordes durch Morphium in Erwägung zieht. (Hier
irre ich mich allerdings...wie sich später herausstellt)
>Und:
die Sterbeurkunde sagt ja auch nur, an was er gestorben
> > ist und nicht, ob er sich unabsichtlich vergiftet
hat oder absichtlich.
wieder falsch. Die Sterbeurkunde weist ganz eindeutig eine akute Urämie
aus
in Verbindung mit einer Nierenkolik. Mir ist kein Gift bekannt, welches
eine
solche akute Erkrankung auslösen könnte.
>
P.S.: Ihren letzten Satz haben wir nicht verstanden:
> > Jedenfalls steht dieser Unsinn auf jedem Waschzettel.
Als "Waschzettel" bezeichnen wir die kurzen Bemerkungen über Buch
und Autor,
die in der Regel auf dem Buchrücken oder dem Umschlag zu finden
sind. Sorry..
Vielen Dank für Ihre Mühe und
herzliche Grüsse
Und weil ich dann mein
Englisch nochmal überprüfte schob ich noch schnell hinterher:
Hallo, hier noch
ein Nachtrag:
Ohne Ihnen auf die Nerven gehen zu wollen, aber ich muß ein Mißverständnis
aufklären, welches nur auf mein leider nicht so perfektes Englisch
zurückzuführen ist. Der Pharmakologe, auf den ich mich bezog,
stellte
genau die gegenteilige Behauptung auf. Nämlich die, daß Jack
London
sich nicht umgebracht haben kann. Wörtlich steht hier in der Liste:
Shivers, Alfred."Jack London: Not a Suicide." The Dalhousie Review 49
(Spring 1969)" 43-57. An expert in pharmacology, Shivers convincingly
undercuts claims that London killed himself with an overdose of morphine.
Gruss
R.Wissdorf
Frau Storm schrieb darauf,
immerhin sehr um die Wahrheit bemüht:
Hallo
Herr Wissdorf,
vielen Dank für Ihre weitere Nachricht, halten
Sie uns bitte unbedingt auf
dem laufenden! Wie ich Ihnen bereits heute mitgeteilt
hatte, bedauert unser
Chefredakteur, daß alle einschlägigen
Nachschlagewerke dieselben "Fakten"
publizieren - Selbstmord. Man kann in einem enzyklopädischen
Nachschlagewerk
nur etwas anderes behaupten, wenn dies in mehreren
Dokumenten belegbar ist.
So handhaben wir das sogenannte fact checking in
allen Versionen. Herr
Dingemann bemüht sich aber (auch aus persönlichem
Interesse) der Sache
weiter auf den Grund zu gehen.
Die
US-amerikanische Encarta schreibt dasselbe:
London,
Jack (1876-1916), American writer, whose work combined powerful
realism and humanitarian sentiment. He was born
John Griffith London in San
Francisco. After completing grammar school, London
worked at various odd
jobs, and in 1897 and 1898 he participated in the
Alaska gold rush. Upon his
return to the San Francisco area, he began to write
about his experiences. A
collection of his short stories, The Son of the
Wolf, was published in 1900.
London's colorful life, during which he wrote more
than 50 books and which
included enormous popular successes as an author,
experience as a war
correspondent, and two stormy marriages, ended
in his suicide at the age of
40.
Wie
gesagt, falls Sie Hinweise haben, bitte immer her damit! Wir sind sehr
interessiert.
Herzliche
Grüße
Christina
Storm
Und dann kam endlich
die Nachricht vom Chefredakteur. Sie war fast poetisch.
Guten
Morgen Christina -
hier das Ergebnis meiner Kurzrecherche:
Meyers Taschenlexikon (5. Aufl. 1995) spricht in
Band 13, S. 191 von Selbstmord.
Meine private Quelle sagt folgendes: "Er starb
am 21. November 1916 -
wahrscheinlich an einer Ueberdosis Morphium, die
er sich mit der Spritze
verabreicht hatte - einen Tag nach dem alten Kaiser
Franz Josef, von
dessen Tod man sagte, dass mit ihm eine Epoche
zu Ende ging. Er war 40
Jahre. - Er war 40 Jahre alt, und nimmt man alles
in allem, so ist er am
Alter gestorben. An der Furcht vor dem Alter, an
der Drohung des Alters
... so wie es ihm spaeter Hemingway, selbst hier
noch, nachmachen
wuerde. Sie wollten beide ewig jung bleiben, ihr
Leben bis zuletzt in
der eigenen Faust halten. Und das verstoesst wider
die Natur." (Georg
Stefan Troller. Der Abenteuerer. Das kurze wilde
Leben des Jack London.
Guetersloh 1968, S. 155)
Ist das nicht ein schoener Text ?
Ich koennte stundenlang weiter zitieren ...
Es kann schon sein, dass es kein Selbstmord war.
Er (London) hatte aber
(indirekt) an der Legende immer selber mit gestrickt,
da er haeufig von
Todesphantasien sprach...
Im deutschsprachigen Raum hat sich die Selbstmord-Variante
bis heute
gehalten.
Beide Todes-Versionen haben etwas für sich:
der Selbstmord aus Angst
vorm Altern (s.o.) oder der Mythos: "so'n harter
Brusche" bringt sich
nicht um, sondern wird Opfer einer Vergiftung etc.
pp.
Wenn es - nachweisbar - kein Selbstmord war, werden
wir dies
selbstverstaendlich korrigieren; denn Legenden
sind nicht unser
Geschaeft.
Gruesse
ueber den grossen Teich
Da wurde es Zeit, daß
ich mich mal bedankte:
Danke dafür,
daß meine Anfrage bei Ihnen so ernst genommen wird. Ich
möchte Ihnen an dieser Stelle nochmals versichern, daß meine
Unruhe nicht aus
bourgoiser Rechthaberei geboren ist, sondern wirklich nur aus Liebe zur
Wahrheit.
Es würde meiner Achtung vor Jack London keinen Abbruch tun, wenn
er sich
tatsächlich umgebracht haben sollte. (...)
Natürlich nimmt er im "Martin Eden" einiges vorweg. Sogar im "John
Barleycorn".
Und einige der Briefe..na ja. Ich habe so etwas auch schon an Freunde
geschrieben. Es ist doch etwas ganz anderes, es dann wirklich zu tun.
Und
wäre Morphium sein Stil gewesen? Dieser alte Macho? Nee... Dann
doch lieber die
alte ehrliche Kugel.
Und Frau Storm antwortete
(Auszug)
Hallo
Herr Wissdorf,
Es
interessiert das ganze Encarta-Team brennend, was unsere Benutzer von
unserem Produkt denken und was für Verbesserungsvorschläge
kommen. Herr
Dingemann hat mir einmal klipp und klar gesagt,
daß viele Benutzer Experten
in bestimmten Gebieten sind und man daher vom Feedback
eine Menge lernen
kann. (...)
Ich werde mir jetzt erstmal ein Werk von Jack London
zu Gemüte führen - was
empfehlen Sie als Einstiegsliteratur von ihm?
Ich habe Ihre Email-Adresse an Herrn Dingemann
weitergeleitet, er wird sich
in den nächsten Tagen bei Ihnen melden.
Herzliche
Grüße
Christina
Storm
Nun - immerhin liest
Frau Storm jetzt mal Jack London, aber Herr Dingemann hat mir noch nicht
geantwortet. Daher wandte ich mich an die Jack London Society:
Dear Mrs. Reesman,
In the last week
I began a little crusade to improve, that Jack Londons Death was'nt a suicide.
Do you have any further information about that case?
In Germany every library is telling the story of a suicide, and same
are doing the most american biographs. But the Jack London Museum at the
Beauty Ranch, Glen Ellen, possesses a document wich is signed by four medical
authorities, declaring his death an gastrointestinal type of uraemia, caused
by a fault in diet.
If this should be the truth, every Short-Biography has to be corrected,
and the Encarta-Guys of Microsoft promised to do so.
Second, I am desperately seeking for an issue of Londons last book "The
Assassination Buero". Is there anymore in the US?
Regards
Und Frau Reesman antwortete
mir (Auszug):
The
person who knows most about London's death is Dr. Earle Labor of
Centenary College of Louisiana. Most evidence (not
hearsay) suggests it
was not a suicide. Earle is at (...)
Yours, Jeanne Reesman
Jack London Society Executive Coordinator
University of Texas
Und dann stürzte
ich mich auf den von ihr erwähnten Dr. Labor:
Hello Dr. Labor!
Mrs Reesman from
the Jack London Society was so friendly to give me your
Email-Address.
I am a german writer, living near Frankfurt. I am fighting a little crusade
against the whidely spread opinion, that Jack London died by his own
hand. As far
as I found out, his death was caused by some kind of uraemia. I think
the
produce of evidence is a paper, signed by three physists, saying that
he suffered
on a kidneys insufficience. I saw that paper at Glen Ellen, California.
Could you help me with some more information?
Thank you very much!
Und jetzt kommts!
Dear
Mr. Wissdorf,
I
applaud your crusade! I've been trying for nearly four decades to
spread the word that there is not one shred of
evidence to support the
suicide canard.
Four attending physicians issued a bulletin that
London died from uremic
poisoning. I have a photocopy of his death certificate
attesting to this
as well. Alfred Shivers conclusively refuted the
possibility of suicide
from overdose of morphine more than twenty years
ago in THE DALHOUSIE
REVIEW (Shivers was trained in pharmacology). More
recently Charles Denko
has published an article attributing London's medical
problems and
ultimate death to lupus (in THE JOURNAL OF RHEUMATOLOGY).
As for my own
research, I've come to the conclusion that the
death was caused by stroke
and heart failure (not to discount Denko's theory
of lupus as a
contributing factor). Of course, the truth doesn't
always sell as well as
sensationalizing and fabrication.
Good
luck with your crusade!
E.
Labor
Und am 10.März
1998 war es dann soweit: Herr Dingemann von der Encarta-Redaktion schrieb
mir die folgende Mail (Auszug):
Guten Tag Herr Wissdorf
-
Christina Storm hat mir Ihre ausführliche Dokumentation über
den Tod von
Jack London übermittelt. Wir greifen gern ihre intensive Recherche
auf
und werden in der nächsten Version von Encarta den Text wie folgt
abändern:
"Am 22. November
1916 starb er im kalifornischen Glen Ellen auf seiner
Ranch. Ob es sich dabei um einen Selbstmord durch Vergiftung handelte
oder nicht, ist bis heute umstritten."
Danke!
Reinhard Wissdorf
im März 1998