- Einführung -
Helen Abbott, Vallejo, March 2000

Eine Einführung

in die Jack London Familie
von Helen Abbott
übersetzt von R. Wissdorf und Martin Driessen

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Hallo. Willkommen bei der Jack London Familie. Ich bin sozusagen die "Matriarchin" dieser Familie. Ich möchte Ihnen gern die Nachkommen Jack Londons und seiner ersten Frau, Bessie Maddern-London vorstellen.

Ich bin Helen Darcy Abbott, Schwiegertochter von Joan London, ihrem ersten Kind. Joan wurde am 15. Januar 1901 geboren und heiratete Park Abbott (geboren 1900). Ihr Sohn, Bart Abbott, wurde am 12. Oktober 1901 geboren. Stellen Sie sich vor! Jack London, hätte er nur 5 Jahre länger gelebt, wäre bei der Geburt seines ersten Enkels erst 45 Jahre alt gewesen. Bess London (Becky genannt), seine zweite Tochter, geboren am 20. Oktober 1902, heiratete Percy Fleming und hatte eine Tochter, Jean Wellman Knight, und einen Sohn, Guy Fleming. Die drei hier aufgeführten Kinder von Joan und Becky Londen - Bart Abott, Jean Wellman, und Guy Fleming - sind direkte Nachfahren, Enkel von Jack und Bessie London. Aus dieser Linie entstammen acht Urenkel. Bart Abbott war Joan Londons einziges Kind. Er und seine erste Frau Lee Pence hatten zwei Töchter, Julie und Jill Abbott; Bart hatte drei weitere Töchter mit seiner zweiten Frau (das bin ich); dies sind Darcy, Chaney, und Tarnel Abbott. Sie sind somit Joans Enkelinnen. Jean Wellman und ihr Ehemann Charles Knight hatten zwei Söhne, Charles Gene und Bruce Knight. Guy Fleming und seine Frau Winona haben eine Tochter, Sandra; diese drei sind sind also Beckys Enkel. Zusammen macht das acht Urenkel von Jack und Bessie London. Und dann gibt es natürlich die nächste Generation - siebzehn Ur-Ur-Enkel! Außer vielleicht für diejenigen, die eine vollständige Stammtafel ausarbeiten möchten, dürfte die obenstehende Information vorerst ausreichen.1 Wie auch immer, diese Nachkommen fielen, wie Äpfel, nicht weit vom Stamm. Vielleicht interessieren Sie sich für die Lebensläufe einiger dieser Abkömmlinge von Jack und Bessie London; deshalb werde ich mit Joan und Becky beginnen, und ich muß Sie gleich warnen, daß meine Wahrnehmung dieser beiden Frauen eine sehr persönliche und zugeneigte ist.

Zunächst: ich hatte keine Ahnung, daß ich in die London Familie einheiraten würde.Und ich wäre fast davongerannt, als ich zum erstenmal erfuhr, daß ich Jack Londons Schwiegerenkelin werden sollte. Mir war, als würde ich unmittelbar zu Füßen meines Idols knieen. Und so geschah es: Ich traf Joan, meine zukünftige Schwiegermutter 1946 in ihrem Haus in Berkeley, Kalifornien, in der Nähe des Claremont Hotels.Sie war eine ehrfurchtgebietende, majestätische Gestalt, und ich war fast betäubt von der dynamischen Kraft dieser umwerfend schönen Frau, die mich mit "arms around" empfing, wie ihr Vater es ausgedrückt hätte. In der gleichen Woche stellte mich Bart seiner Großmutter, Bessie Maddern London vor. Sie hatte, wie man mir sagte, gerade einen Schlaganfall erlitten und lag im "The King's Daughters Home" am Broadway, in Oakland, Kalifornien. Dieser Besuch bei Jack Londons erster Ehefrau hat mich zutiefst erschüttert. Sie starb im folgenden Jahr; die geliebte "Nana", die stets liebevoll für die drei jungen Enkel Bart, Jean und Guy gesorgt hatte, während ihre Mütter ihren Lebensunterhalt verdienen mußten.

Joan arbeitete in einer Reihe von Berufen. die ihr einen interessanten und aufregenden Lebensstil ermöglichten, mit einer Menge Zeitungspopularität, was nicht immer dem Gattengeschmack entsprach. Sie war fünfmal verheiratet, davon zweimal mit dem gleichen Mann. Ihre letzte Ehe, die mit Charles Lortz Miller ("Indian Miller"), ihrer Jugendliebe aus Universitätszeiten und Oaklands Triathlon Champion, dauerte 23 Jahre, bis zu seinem Tod 1970. Sie folgte ihm weniger als ein Jahr später; zehn Tage danach starb auch ihr erster Ehemann, Park Abbott ... die drei waren bereits in ihrer Schulzeit befreundet und sind es immer geblieben. Joan war in jeder Hinsicht eine würdige Tochter ihres Vaters, eine Kämpferin für die kalifornischen Landarbeiter , die unermüdlich gemeinsam mit den Gewerkschaftsführern für die Belange der Landarbeiter eintrat. Sie war eine überzeugte Sozialistin. Sie arbeitete ihr ganzes Leben hindurch, sorgte dabei nicht nur für ihren eigenen Lebensunterhalt, sondern teilte sich auch die Erziehungskosten mit ihrem geschiedenen Ehemann, dem Vater Barts, sowie die Zeit, die sie mit ihrem Sohn verbrachten; was im Großen und Ganzen für alle Beteiligten von Vorteil war.

Während dieser Zeit wurde aus Joan eine professionelle Rednerin, die ständig von Stadt zu Stadt reiste, von Kalifornien bis New York, um Vorträge über ihren Vater auf Versammlungen von Jack London Fans zu halten, welche sie dafür über eine Agentur buchen konnten. Während der Depressionsjahre arbeitete sie für die W.P.A. (Works Progress Administration). Es ist mir unmöglich, die Vielfalt ihrer beruflichen Tätigkeiten zu dokumentieren. Eine davon brachte sie nach Hollywood ... sie arbeitete als Beraterin mit an dem William Wellman Film CALL OF THE WILD; schrieb Kurzgeschichten und verfaßte die erste Biographie ihres Vaters, JACK LONDON AND HIS TIMES, bereiste Rusland mit Charles Malamuth, ihrem zweiten Ehemann und E.E. Cummings, der ein Buch über sie schrieb.

Zwischen ihren Jobs arbeitete sie an weiteren Büchern: "So Shall Ye Reap", die Geschichte kalifornischer Saisonarbeiter, in Zusammenarbeit mit Henry Anderson, und ihre eigenen Lebenserinnerungen als das Kind verfeindeter Eltern, die sie allerdings nie veröffentlichte. Das Manuskript befindet sich in der Huntington Library und trägt den Titel "Visiting Rights Only".
In den letzten Jahren ihres Lebens verfaßte sie dann die tiefempfundenen Memoiren JACK LONDON AND HIS DAUGHTERS und bot sie der University of Washington Press an, halbvollendet aber mit einer Synopsis und einem Nachwort versehen. Der Verlag hatte gerade eine zweite Auflage von JACK LONDON AND HIS TIMES herausgebracht und nahm nun auch dieses Werk unter Vertrag.

Bart übernahm alle damit verbundenen Verpflichtungen, wie er es seiner Mutter auf ihrem Sterbebett versprochen hatte. Als der Verlag sich nach acht Jahren immer noch nicht in der Lage sah, die zur Veröffentlichung erforderlichen Erlaubnisse ² zu erhalten, zog Bart das Manuskript zurück und das Buch wurde von Malcolm Margolin, Heyday Press, Berkeley, veröffentlicht.

Nach Joans Tod beschloß die kalifornische Regierung einstimmig, sie für die 20 Jahre ihrer Gewerksschaftsarbeit und ihren Einsatz für die Belange der Arbeiter zu ehren. Sie sandten Bart die prachtvoll eingebundene, goldgeprägte Urkunde, die Sie hier betrachten können.

Joan und ihre Schwester Becky waren sehr unterschiedliche Persönlichkeiten. Ihre Gegensäztlichkeit wäre - aus einem historischen Gesichtspunkt betrachtet - nichts weiter als eine nette Anekdote, wenn sie nur nicht soviel Schaden angerichtet hätte. Und zwar nicht nur bei den beiden Frauen selbst, sondern auch bei anderen Mitgliedern der Familie, und sogar bei ihren Vorfahren.
Joan war Hausfrau und Karrierefrau zugleich; jeden Tag pendelte sie zwischen Pleasant Hill und San Francisco.
Becky war Gourmet-Köchin, Gärtnerin, Schriftstellerin, Sockenstrickerin, Näherin für ihre Enkel, Katzen- und Hundefreundin, Liebhaberin exotischer Fische und Retterin verwundeter Vögel... jemand der für dich da war, wenn du ihn brauchtest. Glauben Sie, jemand kannte diese Frau richtig? Und: diese Frauen waren Schwestern. Nur wenige saßen mit ihnen auf der Veranda, wenn sie ihren Schwatz hielten und sich genüßlich an ihren Erinnerungen an "Daddy" delektierten.

Aber sie waren keine Heilige - beide piesackten sie ihre Ehemänner. Joan war geradeheraus, trotzig, eine unerbittliche Kämpferin gegen die Verlogenheit. Sie war meistens ernst und nachdenklich.
Becky dagegen war geschwätzig, lebhaft, launisch. Sie nahm den Namen "Becky" an, nachdem sie ein Bühnenstück von Becky Sharp gesehen hatte. Und nur, um ihnen etwas Stoff zum Nachdenken zu geben: sie wurde zur Becky Sharp, und mit ihrem ausgeprägten Sinn fürs Theatralische bot sie den Jack London Fans auch was für ihr Geld. Ihre Lebensgeschichte sollte vielleicht besser von ihren beiden Enkeln erzählt werden, die sie sehr liebte.
Ich mochte Becky immer sehr gerne. Als ich ihren Neffen Bart heiratete, stellte sie ein Photoalbum von Barts Kindheit für mich zusammen. Ihr ganzes Leben lang behielt sie ein Seebild, das ich für sie gemalt hatte. Sie verbarg ihre guten Taten, und ihre Verletztheiten. Sie verbrachte Jahre damit, alle Bücher ihres Vaters in Braille-Schrift zu übertragen. Sie war ihre eigene Angestellte in dem Postkartengeschäft, das sie zusammen mit ihrem Mann betrieb und ich wette, es langweilte sie zu Tode.


1. [Anm. JLD: eine solche Stammtafel ist in Vorbereitung und wird demnächst hier veröffentlicht]
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2. [Anm. JLD:es waren Russ Kingman und Waring Jones, welche die Veröffentlichung zu verhindern suchten. Kingman, da er Interessen von Becky London verletzt sah, denn einige Erinnerungen der beiden Töchter unterschieden sich in Details; Waring Jones sah Bildrechte verletzt, denn er hatte der Familie vor einigen Jahren eine Reihe von Rechten abgekauft. Beide hatten im Grunde kein justiziables Einspruchsrecht, aber die University Press fürchtete Komplikationen. Heyday Press war in dieser Hinsicht furchtloser. In der Tat hatte die Veröffentlichung auch nicht die geringsten Konsequenzen für Verlag oder Familie.]
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Fortsetzung: Teil II


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